Der Kristall, den der Grinch verbissen in seiner Hand gehalten hatte, war zerbrochen in tausend Splitter. Einer Explosion gleich war er in alle Richtungen geflogen, hatte Gestein und Fleisch durchschlagen und dabei seine ganze Macht eingebüßt. Benommen und teilweise schwer verletzt tasteten der Bruder des Weihnachtsmanns und Nikolaus nach ihren Gesichtern und Körpern. Der Schaden, den der Kristall angerichtet hatte, war beträchtlich.

 

Geschwächt versuchten sie, in eine sitzende Position zu gelangen. Der Bruder des Weihnachtsmanns, der näher am Grinch gestanden hatte, war sehr schwer verletzt. Sein Gesicht blutete aus tausend kleineren und größeren Wunden und sein Mantel färbte sich langsam blutrot. Benommen starrte er auf seine Hand, die ebenfalls voller Blut war und versuchte dann, sich zu orientieren. Wo waren sein Sohn und die Annea? Letztere lag ohnmächtig am Boden und hatte bei der Explosion nur einige kleinere Verletzungen davongetragen. Aber Nikolaus hatte es schlimm erwischt. Dieser lag am Boden, mit blutüberströmtem Gesicht und Händen. Die offenen Augen starrten zur Decke der Höhle, kein Zeichen oder Lebensfunken von sich gebend.

 

Plötzlich fühlte der Bruder des Weihnachtsmanns eine Hand auf seiner Schulter, ganz sacht und vorsichtig. Als er sich umdrehte, sah er Tavie neben sich stehen. Leise kam ihm das Gesicht bekannt vor. Auf alle Fälle war sie eine Elfe. Daran bestand kein Zweifel. Mitgefühl stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie ihn leise aufforderte, sich zu entspannen und zu beruhigen. „Ich werde nur kurz nach den anderen sehen und dann sofort zu dir zurückkehren. Bleib ruhig und setz dich vorsichtig an die Wand, wenn du kannst. Ich bin gleich wieder da.“ Damit wandte sie sich den Nikolaus und der Annea, letztere immer noch ohnmächtig.

 

Mit Tränen in den Augen legte Tavie ihre Hand auf die Brust von Nikolaus um zu schauen, ob noch Leben in ihm war. Doch da war nichts, was zu ihr sprach. Mit einem lauten Schluchzen senkte sie Blick und Kopf und fing bitterlich an zu weinen. Ihr Nikolaus! Nun hatte sie ihn endlich wieder und dennoch war er gegangen. Für immer! In ihrem Schmerz war sie untröstlich. So viele Jahre hatte sie Seite an Seite mit ihm gelebt, ihn beschütz, ihn versorgt. War von ihm beschützt und versorgt worden und hatte als Nanuq eine ganz besondere Beziehung zu ihm aufgebaut, die Schneetänzer normalerweise unter keinen Umständen eingingen. Das hatte sie weicher gemacht, aber auch stärker. Nun allerdings lag der kraftspendende Mittelpunkt ihres Lebens leblos am Boden und Tavi-Nanuq fülhlte sich unendlich leer und traurig.

 

Vorsichtig und ganz leise schob sich eine Hand über die ihre, die immer noch auf Nikolaus‘ Brust ruhte, und drückte sachte ihre Finger. Kurz darauf war ein leises Stöhnen zu vernehmen. Tavie schaute auf, voller Überraschung, Hoffnung und Angst, die sich jedoch jäh in unbändige Freude verwandelt. Die Hand auf ihrer, blutüberströmt und warm, war die von Nikolaus, der nun nicht mehr an die Decke starrte, sondern versuchte, ihren Blick zu erhaschen. Da er dazu jedoch leicht den Kopf heben musste, was ihm zur Zeit sehr viel Schmerz zufügte und zu sehr anstrengte, ließ er es nach einigen Versuchen wieder bleiben und sprach stattdessen im Flüsterton „Ich bin da, meine kleine Nanuq. Ganz ruhig. Ich bin da!“

 

Tavie‘s Herz schlug so hart in ihrer Brust, dass es ihr schmerzte. In ihrer Trauer und ihrem Entsetzen hatte sie nicht bemerkt, dass Nick noch lebte. Gerade so eben, aber doch noch einen kleinen Lebensfunken in sich wahrend. Die Erleichterung nahm schmerzhaft von ihr Besitz und mit zitternden Händen hielt sie die Hand von Nick und sah ihn liebevoll an. Ihr Herz floss über vor Freude und Liebe. Mit einem letzten Schluchzen legte Tavie die Hand von Nick vorsichtig auf den Boden, legte ihre Hände auf die Brust von von Nick und begann, Lebensenergie in ihn hinein zu schicken. Leider gehörte Tavie nicht zu den Elfen, die mit heilender Magie überreichlich ausgestattet waren und so wünschte sie sich verzweifelt ihre Schwester hierher. Aber Fiona war draußen, vor der steinernen Tür zur Höhle und suchte wahrscheinlich mit Shay und Kaylam nach ihr. Immer wieder sendete sie Impulse ihrer Magie in Nikolaus. Die Blutungen in Gesicht und Händen begannen langsam zu weniger zu werden bis sie schließlich ganz aufhörten. Das Gesicht von Nick hatte sich entspannt und er schien nun zu schlafen.

 

Erschöpft stemmte sich Tavie vom Boden hoch, warf einen Blick auf die Annea, die weiterhin ohnmächtig am Boden lag, prüfte ihren Puls, der nicht besonders kräftig aber stetig schlug und ging zurück zum Bruder des Weihnachtsmanns. Der hatte sich in der Zwischenzeit zurück an die Höhlenwand geschoben und saß an sie angelehnt mit schmerzverzerrtem Gesicht, dem die Erschöpfung deutlich anzusehen war, da und wartete auf Tavie. Am Ende ihrer Kräfte kniete sich Tavie vor ihn hin, legte ihre Hände auf seine Brust und gab den letzten Rest Magie, den sie noch in sich hatte, an den Bruder des Weihnachtsmanns zu dessen Heilung weiter. Kurz bevor sie das Bewusstsein verlor, hörte sie Schritte auf dem felsigen Untergrund näher kommen.